
MOHAMMED – FES, MAROKKO
der Beobachter
Mohammed begrüßte uns mit einem großen, fast zahnlosen Lächeln, als wir in Fes ankamen. Bereits an der Art und Weise wie er sich bewegte, konnten wir erkennen, dass er ein Medina-Native war. Während unseres gesamten Aufenthaltes hatten wir das Glück, die vielen regnerischen Momente im Schutz unseres schönen Riads zu verbringen und vor allem auch in bester Gesellschaft mit Mohammed. Zuerst erschien uns Mohammed fast schüchtern. Mit seiner höflichen Art und seiner ruhigen Persönlichkeit ging er auf jeden unausgesprochenen Wunsch seiner Kunden ein. Als wir ihn besser kennenlernten, stellten wir fest, dass er weniger schüchtern war, sondern viel mehr aufmerksam und bescheiden.
Mit über 4o Jahren führt Mohammed noch ein eher ungewöhnliches Leben als Junggeselle. Sein Leben ist seiner Arbeit gewidmet und von ihr bestimmt: Er lebt im Riad, betreut Menschen rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Urlaub ist ein Konzept, das für Mohammed kaum vorstellbar ist und einfach ohne Bedeutung.
Von Zeit zu Zeit besucht er seine Mutter, die in der Neustadt lebt, aber er hat kein eigenes „Zuhause“ für sich.
Bis wir ihn besser kennenlernen durften, hatten wir fast Mitleid mit Mohammed. Nachdem wir jedoch einige Zeit zusammen verbrachten und ihn auch im Umgang mit anderen sahen, schien sein gedankenverlorener Charakter einfach nur unbefangen und zufrieden zu sein.
Was macht Mohammed so einzigartig?
Er erzählte uns, dass er inmitten der Medina aufgewachsen ist. Dort aufgewachsen, waren er und seine 10 Geschwister durch den strengen Einfluss ihrer Eltern geprägt. Mohammed sagte immer wieder, dass er unter „guten Menschen“ aufgewachsen sei, Menschen, die nicht nur dem Islam folgen, sondern Menschen, die ihren Worten und Werten treu sind. Menschen, die ihren Glauben annehmen, ohne zu hinterfragen und den Wunsch haben ihr Bestes zu geben, ohne zu klagen. Als Jugendlicher verließ Mohammed die Schule vorzeitig, um mit der Arbeit zu beginnen. Als Teenager ging er weg und arbeitete für einen Mann, der sein Mentor wurde. Mohammed war bereit und willens zu arbeiten. Harte Arbeit gab ihm eine gewisse Zufriedenheit. Er sagte uns, dass er nie zurückblickte, nie bereut hatte seinen Schulabschluss nicht gemacht zu haben. „Ich mache gute Arbeit, ich gebe mein Bestes, und ich beschwere mich nicht oder schaue zurück. Es gibt nur einen Moment, der zählt. Die Gegenwart. Das Hier und Jetzt.“
Was ist für Mohammed wichtig?
Als wir Mohammed fragten, was ihm wichtig sei, antwortete er: mein Glaube, meine Familie und meine Arbeit, die mir erlaubt, als ehrenhafter, stolzer Mann zu leben. Respekt ist der Schlüssel zu allem in seinem Leben. Mohammed strebt danach, ein Leben zu führen, das ihm Respekt einbringt. Um Respekt zu erlangen, musst du jedoch „wissen, wer du bist“ und erkennen, dass du dein Schicksal nicht ändern kannst, sondern nur Einfluß darauf hast, wie du damit umgehst. Laut Mohammed hat ein respektabler Mensch nicht nur die Kraft, andere zu respektieren, sondern er weiß die Herausforderungen des Lebens mit einem offenen Geist zu meistern und Schicksalsschläge mit einem starken Willen zu überwinden.
Was macht Mohammed glücklich?
Als wir ihn fragten, was ihn glücklich machte, sagte er uns, dass seine Familie ihn am glücklichsten macht. Er genießt es mit seinen Liebsten zusammenzukommen und schöne Stunden mit seinen Nichten und Neffen zu verbringen.
Mohammed hat uns auch gesagt, dass er sich freut in diesem Riad seit seiner Gründung gearbeitet zu haben. Die Besucher kommen nicht nur auf ihn zu, um sich touristische Informationen zu holen, sondern sie mögen auch einfach seine Gesellschaft. Er ist praktisch das Gesicht des Riads geworden und das macht ihn glücklich und stolz.
Mohammed ist immer noch Single und sagte uns, dass er es zwar nicht vermisst einen Partner zu haben, aber er wäre dennoch begeistert, wenn er eines Tages („Inshallah“) eine respektable Frau treffen würde. Er glaubt, dass ihn das noch glücklicher machen könnte.
Was empfiehlt Mohammed Reisenden, die nach Marokko kommen?
Mohammed empfiehlt den Besuchern, sich nicht zu schnell einschüchtern oder irritieren zu lassen. Marokko bringt oft sehr viel Trubel, Gerede, Geräusche und Straßenhändler mit sich. Oft fühlen sich die Besucher dadurch überwältigt und versuchen sich so unauffällig und zurückhaltend wie möglich zu benehmen. Sie meiden es die Marokkaner anzuschauen, sie zu erforschen oder mit ihnen zu sprechen, aus Angst wieder zum Opfer einer hartnäckigen Verkaufsstrategie zu werden. Es verärgert Mohammed sehr, dass einige seiner Landsleute unehrenhaft geworden sind, indem sie Touristen dazu drängen, Dinge zu unangemessenen Preisen zu kaufen. Er empfiehlt jedem Besucher, der nach Marokko kommt, sich die Zeit zu nehmen, einige Marokkaner, abseits der Einkaufsstraßen zu treffen und Freundschaften zu schließen. Mit lokalen Freunden können Reisende das „andere Marokko“ sehen. Ein Marokko, das von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Er sagte uns auch, dass, wenn man sich jemals unwohl fühlt, man sich bedrängt oder betrogen fühlt, man einfach damit drohen soll die Polizei zu rufen. Damit wird jeder Händler in seine Schranken gewiesen, egal ob du schlussendlich tatsächlich die Polizei rufst oder nicht.
Könnte Mohammed sich vorstellen, in einem anderen Land zu leben?
Obwohl er mehrere Fremdsprachen fließend beherrscht, kann sich Mohammed niemals vorstellen, woanders zu leben. „Ich bin in der Medina von Fes geboren, ich gehöre hierher, und ich werde hier sterben.“ Er kann sich nicht einmal vorstellen, in der Neustadt zu leben, trotz der vielen Annehmlichkeiten, die das Leben dort viel einfacher machen würden, wie eine Heizung in den kalten Wintermonaten.
ERLEBE MAROKKO
Land, Menschen & Esskultur